Arbeit, Lohn und Landwirtschaft vor 1900

Arbeit wird heute in Gedanken unausweichlich mit einer finanziellen Entlohnung verbunden. Man bietet seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt an und wird je nach Konjunktur und persönlichen Fertigkeiten für eine bestimmte Zeit und einen bestimmtes Gehalt angestellt. Dieses Prinzip ist jedoch recht modern und hat sich in Deutschland erst im Zuge der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert entwickelt. Bis dahin war Lohnarbeit ein relativ unbekanntes Phänomen.

Arbeit historisch
War früher alles besser? Nicht unbedingt, Arbeit lohnt sich heute mehr denn je.

Noch um 1800 waren drei Viertel der Bevölkerung in den deutschen Territorien in der Landwirtschaft tätig und hatten als Kleinbauern um eine stabile Nahrungsversorgung zu kämpfen. Da ihr geringer Landbesitz jedoch häufig nicht dafür ausreichte, waren sie neben dieser „Selbstständigkeit“ noch auf einen Zuerwerb angwiesen. Ebenso wie bei den Landlosen und Tagelöhnern erfolgte dieser „Nebenjob“ jedoch nicht als Lohnarbeit, sondern als Eigenversorger auf dem Land der Großbauern, als Hilfskraft, Landhandwerker oder als Diener im Haushalt der Großbauern und Gutsherren gegen Kost und Logis. Statt einem freiem Arbeitsmarkt herrschten traditionell vormoderne beziehungsweise feudal geprägte Arbeitsformen.

Eine anschauliche Beschreibung findet man bei Franz Rehbein:

„Aus dem Leben eines Landarbeiters“ (1870er):

„Die Sache lag nämlich so: Der Instmann (auch Tagelöhner oder Ackersmann) war – wie üblich – kontraktlich verpflichtet, nicht nur selbst das ganze Jahr hindurch auf dem Gute zu arbeiten, sondern auch seine Frau mindestens 200 Tage im Jahr dort arbeiten zu lassen. Außerdem hatte er einen Hilfsknecht von über 17 Jahren und einen halbwüchsigen Jungen für den Gutsdienst zu stellen. Beides konnten seine Kinder sein. War einer davon erkrankt oder sonstwie über drei Tage an der Arbeit verhindert, so mußte der Instmann eine Ersatzkraft dafür stellen. Konnte er dies nicht, so wurde ihm für die in Frage kommende Zeit von der Gutsverwaltung der doppelte Barlohn abgezogen, den der Hilfsknecht oder der Junge sonst verdient hätte, auch wurde ihm das Deputat um so viel gekürzt als die Gutsherrschaft für angemessen hielt! Den Jahreslohn für den Hilfsknecht und den Jungen hatte der Instmann zu zahlen, ebenso mußte er beide beköstigen und ihnen eine Schlafstelle liefern.

Der Lohn betrug für den Hilfsknecht 18 Taler und für den Jungen 8 Taler für das Jahr. Dazu erhielten sie zum Herbst je ein Pfund Wolle, ein Paar Schmierstiefel und eigengewebtes Zeug zu einem Anzug.

Als Gegenleistung bekam der Instmann von der Gutsherrschaft ein entsprechendes Zugut zum Deputat, also Naturalien an Korn, Rüben, Stroh, Kaff und Kartoffelland. Waren Hilfsknecht und Junge die Kinder des Insten, so mochte dieser immerhin noch einen kleinen Vorteil aus dem Dienstverhältnis herausschlagen, denn in diesem Falle brauchte der Vater so gut wie gar keinen Barlohn zu zahlen; sie arbeiteten dann ja zusammen »in einen Pott«; einige Taschenpfennige und Jahrmarktsgroschen genügten für sie.“

Quelle: Rehbein, Franz: Das Leben eines Landarbeiters. Jena 1911. S. 42 / 43.

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